„Stellen Sie sich vor, unsere Welt wäre ohne Substanz. Es gäbe nichts Greifbares, keine Massen. Volumen wären Leerstellen zwischen Umrissen. Körper gäbe es nur in ihren Konturen und silhouettenhaft. Gesteine wären wie Gestirne, gegeben als flüchtiger Widerschein am Firmament.

Die neue Werkgruppe von Constantin Luser sind hängende Drahtgebilde. Es sind Hauchexistenzen, ohne innere Schwere und Festigkeit, ausgestattet indes mit einer zarten Bewegungsensorik, die imstande ist, Ströme von Thermik und atmosphärische Schwankungen zu registrieren. Sie bestehen aus dünnen Messingleisten, die gelötet, gebogen oder zu Geraden gezogen werden. Manche diese Objekte erinnern an die Drahtfigurinen von Naum Gabo oder seines Bruders Antoine Pevsner, andere an die geometrischen Konstruktionen eines Max Bill aus den 1950er Jahren. Doch anders als Avantgarde und Nachkriegsmoderne sind Lusers Messinggespinste weder an der Darstellung einer rigiden Form interessiert noch an konstruktiver Klarheit. Vielmehr sind es eigenwillige Formen, unbeständige Luftkurven, die sich zu Kringel, Schlingen, Schlangen und glitzernden Knoten auswachsen. Sie schweben im Raum, balancieren oder drehen sich, federleicht und stumm. Von Raumzeichnungen ist immer wieder die Rede. Ja, natürlich haben diese hängenden und pendelnden Objekte eine Ähnlichkeit zu den Mobiles von Alexander Calder, doch Calder machte seine Formen bunt und primärfarbig, in großen Lappen, Flügel oder flachen Löffel.

Bei Luser sind diese Gebilde feingliedrig und zartfühlend, verkleinerte Entwürfe einer substanzlosen Existenz. Sie erinnern an von Uhrmachern erdachte Instrumente, erscheinen als alchimistische Fundstücke, die aus Wunderkammern stammen, aus Hinterzimmern oder aus Kellergewölben (…).“
(Thomas Trummer, 2015)

Belvedere 21, Vienna, August 2016

Constantin Luser