Über Guido Guidi

Text von Agnès Sire
Übersetzung aus dem Englischen

„Es gibt Dinge, die ich auf dieser Welt nicht mag. Ich könnte ironisch sein, aber ich achte sehr darauf, es nicht zu sein.“

Im Gegensatz zu vielen anderen Fotograf*innen hat Guido Guidi keine Lust, eine dominante Figur zu sein. Er versucht nicht, einen Raum zu kontrollieren. Er drängt sich dem, was er fotografiert, nicht auf. Er nimmt daran teil, er identifiziert sich damit. 

Etwas ans Licht zu bringen, beginnt für ihn mit dem Reinigen und Vermeiden von Klischees, statt mit dem Komponieren. Er zögert, von „Landschaft“ zu sprechen, weil der Begriff übermäßig verwendet wird. (…)

Seine Fotografien, die er manchmal als „hässlich“ bezeichnet, sind der tiefgründige Ausdruck seiner territorialen Herkunft, in einem ehemaligen landwirtschaftlichen Gebiet am Rande einer heute von einer Autobahn durchzogenen Vorstadt. 

Geboren 1941 in der Nähe der norditalienischen Stadt Cesena, wo er noch heute lebt, ist Guidi ein Mann vieler Paradoxien. Er wurde als Architekt ausgebildet und unterrichtete in Venedig und Ravenna, aber seine Methode basiert eher auf dem Hinterfragen, als auf dem Erklären. 

Nach diversen frühen Experimenten mit der Schwarz-Weiß-Fotografie Ende der 1960er Jahre begann er trotz der scheinbaren Banalität der Ansichten, die schnelle Aufnahmen zu erfordern scheinen, Farbnegative in einer Großbildkamera zu verwenden. Gleichzeitig hängt er an kleinen Drucken, nicht selten an Kontakten, während sein Negativ große Formate zulassen würde.

Er hält keine Distanz, wie es seine fotografische Technik implizieren könnte; vielmehr übt er seine Kontrolle über das Alltägliche aus, ohne zu versuchen, sich davon zu trennen. Und er reist sehr wenig, aber wenn er es tut, dann vor allem, um eine Verwandtschaft zwischen den Städten, zwischen den Randgebieten im Prozess der Industrialisierung oder der Verlassenheit zu finden. Tatsächlich kehrt er den Touristenattraktionen in der Innenstadt den Rücken, die zu „Bijou-Residenzen“ geworden sind, die ihn wenig interessieren. 

Was er betrachtet, ist der Alltag um ihn herum, der sich jedoch verändert, egal wo er ist. Guidis Ansichten zeigen in ihrer Vergänglichkeit, was Gemeinplatz ist, noch nicht fertiggestellte oder verfallene Orte, vernachlässigte Räume, an denen die manchmal in der Serie vorkommenden Menschen entweder auffällig in einem klar definierten Rahmen posieren oder zufällig in der Ferne vorbeiziehen. 

Guidi verwendet den Ausdruck „momentane Entscheidung“, um die Art und Weise zu beschreiben, in der er ohne jeglichen Anspruch auf Entschlossenheit ein Verhältnis zur Zeit aufnimmt, das genau das Gegenteil der „Guillotine-Klinge“ von Fotografen ist, die den schnellen Augenblick festhalten wollen. 

Guidis Auge sucht nach etwas Reinem; am Ende weiß er nicht so recht, ob es sich um Dokumentarisches oder Fiktionales handelt, aber es ist im Realen verankert. Was ihn interessiert, ist der ganz kurze Moment, in dem der Blick zum Bild wird. Hier liegt für Guidi Schönheit, wenn die unendlichen Möglichkeiten der periurbanen Räume Gestalt annehmen und sichtbar werden. 

Dies ist eine neue Form von Radikalität in der Geschichte des Mediums, eine Radikalität der Beteiligung und Solidarität mit dem, was er fotografiert, als wäre es der Ausdruck seiner Gene. 

Pasolini und Antonioni hatten sich bereits durch regelmäßige Dreharbeiten in diesen undefinierten Räumen die Freiheit des Neorealismus der Nachkriegszeit erworben.

In Summe ist dies Ausdruck von Guidis Freiheit: gewissenhaft eine sich verändernde Realität ans Licht zu bringen, die wir nicht sehen wollen. Dort, wo wir meinen, es gäbe nichts zu sehen. Damit es die Zeit überdauert. 

Ohne Ironie. 

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Quelle: https://www.henricartierbresson.org/en/expositions/guido-guidi-3/